Die Alpen – Nichts ist für die Ewigkeit

Ihre Position macht die Alpen zur Wettermaschine Europas: Sie bilden eine Barriere für die Westwinde, die vorherrschende Luftströmung unserer Breiten. Mit ihr gelangt feuchtwarme Luft bis in die Mitte Europas. Die Westwinde würden sie noch weiter- und wieder forttragen, wenn die Berge nicht „im Weg“ wären. Ohne sie hätten die Menschen in Mitteleuropa nur halb so viel Wasser zur Verfügung. Die Alpen generieren ihren eigenen Regen: Sie zwingen die Luftmassen zum Aufsteigen. Dabei kühlt die Luft ab. Kühle Luft kann weniger Feuchtigkeit halten als warme, daher fällt Schnee oder Regen. Meteorologen nennen das orographischen Niederschlag oder Steigungsniederschlag. Die Hälfte davon wird als Schnee oder Eis gespeichert und speist das ganze Jahr über Flüsse mit Wasser. Die Ströme Rhein, Donau, Rhône und Po haben ihre Quellen oder die wichtigsten Zuflüsse in den Alpen. Der Rhein etwa hat bis zur Mündung über 500 Zuflüsse, doch ein Drittel seines Wassers stammt aus den Alpen.

Wie ein Riegel schützen die Alpen Mitteleuropa auch vor extremen Wetterlagen. Sie verhindern, dass Warmluft aus dem Mittelmeerraum für Dürren und Hitzewellen bis nach Norddeutschland sorgt. Gäbe es die Alpen nicht, könnte auch eine polare Kaltfront ungehindert bis nach Süditalien strömen und Schneestürme bringen. Beim Aufeinandertreffen kalter und warmer Luftmassen käme es zu heftigen Gewitterstürmen und verheerenden Tornados wie in den USA.

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Am Col d’Emosson in der französischen Schweiz wurden in 2.400 Meter Höhe versteinerte Fußabdrücke von Tieren entdeckt. Wissenschaftler fanden heraus, dass sie nicht von Dinosauriern stammen, sondern viel älter sind. Vor ungefähr 240 Millionen Jahren soll Isochirotherium sie hinterlassen haben, ein Archosaurier aus der Urzeit mit einer ansehnlichen Reihe von Nachfahren: Aus ihm sind die Krokodile, die zahlreichen Dinosaurierarten und damit auch alle Vögel hervorgegangen.

200 Millionen Jahre lang existierten auf unserem Planeten weder die Alpen noch Europa. Die heutigen Erdteile lagen im Superkontinent Pangäa vereint. Östlich davon erstreckte sich der Ur-Ozean Tethys. Lange Zeit passierte geologisch nicht viel, bis sich vor 40 Millionen Jahren die afrikanische Kontinentalplatte in Bewegung setzte. Sie driftete gen Norden und kollidierte mit der europäischen Platte. Die Besonderheit: Keine der Platten tauchte ab, sie sind beide etwa gleich schwer. An der „Knautschzone“ bildeten sie einen gewaltigen Gebirgssockel. Ihre enorme Höhe erreichten die Alpen aber erst vor 15 Millionen Jahren, als ein Teil der europäischen Platte im Erdinneren versank und für neuen Auftrieb sorgte. Bis heute wachsen die Alpen in die Höhe – fünfmal so langsam wie in ihrer „wilden Jugend“, aber immer noch einen Millimeter pro Jahr. Der ehemalige Meeresboden ist samt seinen fossilen Bewohnern in schwindelnde Höhen gehoben worden.

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Selbst im Hochgebirge wird es immer wärmer. Der Klimawandel lässt die Alpengletscher schrumpfen. Satellitenbeobachtungen beweisen: Die Gletscher haben in den letzten 20 Jahren mindestens ein Fünftel ihres Volumens eingebüßt. Bis zum Jahr 2100 werden der neuesten Forschung zufolge die meisten Alpengletscher Schnee von gestern sein. Vom Mont-Blanc-Massiv fließen ungefähr 100 Gletscher ab. Einer von ihnen, der neun Kilometer lange Argentière, zählt zu den am besten erforschten Gletschern der Welt. Das ewige Eis bildet sich in einem langen Prozess – Jahr für Jahr, Schicht um Schicht. Je älter und je weiter unten die Schicht, desto mehr Schnee lastet auf ihr. Dadurch wird der Schnee erst zu Firn, dann zu festem Gletschereis. Auf ihrem Weg ins Tal nehmen die Gletscher gewaltige Gesteinsmassen mit, die den Fels abschleifen, und verändern so ständig das Landschaftsrelief. Die Fließdynamik ist komplex: Gletscher fließen immer langsamer, je mehr Eis sie verlieren. Der Argentière zum Beispiel bewegte sich im Jahr 1990 noch viermal schneller als 2020. Seit 2018 hat der mächtige Gletscher zwischen drei und fünf Meter Eis verloren.

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Die Klimakrise erhöht die Gefahrenlage in den Alpen. Eigentlich stützt das Gletschereis in großen Höhen die Bergflanken und stabilisiert die Steinmassen. Schmilzt es ab, fehlt der „Kitt“, der die Berge zusammenhält. Mehrfach kam es in den vergangenen Jahren zu größeren Felsstürzen und in der Folge zu Murengängen, beispielsweise im August 2017 am Piz Cengalo in der Schweiz und am Heiligabend desselben Jahres im österreichischen Wals. Der Permafrost ist wie ein Schutz vor Verwitterung. Wenn er taut, kann Wasser in jede Ritze eindringen. Beim erneuten Gefrieren presst es den Fels auseinander, sodass sich immer mehr Risse bilden – so lange, bis der Fels den Kampf gegen die Schwerkraft verliert.

Die „ewigen“ Berge werden immer unberechenbarer. Wissenschaftler versuchen sich dagegen mit Steinschlagforschung im Mega-Maßstab zu wappnen. Am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung simuliert Dr. Andrin Caviezel mit dem RAMMS-Programm (Rapid Mass Movement Simulation) den Sturz massiver Felsblöcke. Dabei lässt er mehrere Tonnen schwere künstliche Steine aus Beton einen Berghang hinunterrollen, der als Testgelände dient. Sensoren im Inneren der Steine messen Beschleunigung und Rotation. Die Daten werden von einer Software ausgewertet. Dadurch lassen sich Gesetzmäßigkeiten und Muster erkennen und Richtlinien für den Katastrophenschutz erarbeiten – beispielsweise wo Fangnetze am nötigsten sind, wie lang und wie stark sie sein müssen.

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Die Alpen – Nichts ist für die Ewigkeit
Erstausstrahlung ZDF: 22. November 2020, 19.30 Uhr

Buch und Realisation Sabine Armsen, Elisabeth zu Eulenburg
Redaktion TV Christiane Götz-Sobel
Redaktion Online Katja Treu